Nach 17 Tagen auf See, kommen wir am Ziel unserer zweiten Etappe an: New York - die Traumstadt für viele unserer Freunde. Für uns selber war sie eher das notwendige Endziel der Atlantiküberquerung.
Drei volle Tage verbringen wir in Manhattan und erleben die Stadt genau so, wie wir vermutet haben: Irgendwie schon beeindruckend, aber vor allem laut, anonym, hektisch, unfreundlich, dreckig und ohne Luft zum Atmen.
Für unsere Kinder erleben wir den Aufenthalt als grenzwertig: Hier müssen sie nicht nur im Hotel leise und im Restaurant brav sein, sondern auf der Strasse auch noch ständig aufpassen und bei Mami oder Mamma an der Hand laufen. Der Verkehr ist die Hölle. Überall regeln trotz funktionierender Ampeln Verkehrspolizisten den Ablauf und trotzdem hält sich niemand an irgendeine Regel.
Wir streiten in diesen drei Tagen mehr als auf dem kompletten Rest der Reise und so freuen wir uns alle auf den Zeitpunkt, wenn wir ins Flugzeug steigen und nach Kanada düsen können...
Zwei der drei Tage verbringen wir lange Zeit im riesengrossen Central Park - der grünen Lunge von Manhattan. Dieser Park ist wirklich schön und bietet auch einiges an Spielplätzen, Seen, Klettermöglichkeiten und Liegewiesen - trotzdem hört man jedoch permanent den Verkehrslärm und weil wir am Wochenende da sind, ist der Park auch hoffnungslos überfüllt.
Auf einem Spielplatz spricht mich ein Mann an, ob ich meine Kinder in einen Test Preparation Course schicken möchte. Auf meine Nachforschung erfahre ich, dass hier Vierjährige eine 45 Minuten dauernde Prüfung absolvieren müssen, um die Möglichkeit zu haben einen der begehrten privaten Kindergartenplätze zu ergattern. Da meist nur ein perfektes Resultat ausreicht, zahlen viele der ehrgeizigen Eltern Unmengen an einen Vorbereitungskurs, in dem die Kleinen "spielerisch" auf Bestleistungen gedrillt werden... Ich frage mich, wie man Vierjährige schon so unter Druck setzen kann.
Wir bleiben schliesslich bei einem Sänger hängen, der mit Gitarre und Mikrofon mitten im Central Park steht und mit tollen Songs ein grosses Publikum in den Bann zieht. Seine Einstellung und die Songs gefallen mir. Bei "Imagine" singt das halbe Publikum mit und bei einem selbstgeschriebenen Song, in dem er sich öffentlich und unmissverständlich gegen Trump äussert, erhält er grossen Beifall. Bei beiden bin ich natürlich voll dabei! :-)
Er sinniert viel über die Welt und den Frieden und ich bin komplett seiner Meinung. Dann spricht er über seine Heimatstadt: Er liebt New York, da hier jeder seine Meinung sagen kann und man tun und lassen kann, was man möchte, ohne dass es jemanden interessiert. Als Beweis stellt er sich ans Ufer des Sees und brüllt laut. Niemand reagiert darauf. In diesem Moment merke ich, was ich selber an New York so gar nicht mag. Es ist eben diese Anonymität. Man hetzt aneinander vorbei ohne sich wirklich anzublicken, man geht unter in der Masse und wird einer von vielen. Man geniesst seinen Shoppingrausch, während die Strassen von Obdachlosen überflutet sind, denen man die Armut ansieht - und blickt einfach weg und blendet die Realität aus. Weil sie einem egal ist - das finde ich schlimm.
Ja, gerade als lesbische Frau ist es toll, sich mal an einem Ort zu bewegen, an dem man nicht angestarrt wird, wenn man Hand in Hand mit einer anderen Frau durch die Strassen spaziert. Aber will ich, dass mich niemand anschaut, weil ich untergehe und den anderen egal bin oder will ich, dass ich wirklich so akzeptiert werde, wie ich bin? Will ich, dass sich niemand umdreht, wenn ich wie verrückt durch einen Park brülle oder will ich, dass meine Mitmenschen mitbekommen, wenn es mir eventuell nicht gut geht? Will ich, dass ich nur ein erfolgreiches Leben führen kann, wenn ich schon als Vierjährige irgendwelche Tests bestehe und danach mein ganzes Schulleben lang gedrillt werde, um etwas wert zu sein oder will ich einfach etwas wert sein, weil ich ich bin?
Ja, New York hat atemberaubende Hochhäuser, ein tolles Nachtleben und Geld ausgeben kann man auch problemlos ohne Shoppingrausch - doch die Stadt und ich werden wohl keine Freunde. Aber davon hat sie ja schon sicherlich genug...
Die Ankunft in New York bedeutet ausserdem auch den Abschied von "unserem" Schiff. Trotz einiger Vorbehalte war die AIDAluna doch zweieinhalb Wochen lang unser Zuhause und irgendwie vermissen wir es am Ende dann doch...
Die meisten Passagiere sind wahre Kreuzfahrt-Freaks, die so jeden Urlaub verbringen. Wir könnten uns das nicht vorstellen. Ein Kreuzfahrtschiff ist einfach ein grosses All-Inclusive-Hotel, in dem man Hop-on-Hop-off-mässig kurz in einer riesigen Touristenhorde irgendwelche Orte beschnuppern kann.
Trotzdem hat uns dieses Schiff bei dieser speziellen Route an Orte gebracht, die wir ansonsten nie gesehen hätten. Das war unbeschreiblich und wir würden es jederzeit wieder machen.
Und die Kinder haben auf dem Schiff wahre Freundschaften geschlossen - zum Beispiel mit Domingo, dem besten Kellner / aka Zauberer der ganzen Welt... <3
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Alex 2 (Sonntag, 22 September 2019 08:20)
Yes baby!!! Toller Bericht! Danke für den tollen Einblick!!! Ich muss immer alles wissen ich weiss! � wie teuer ist/war es den in new york? Wie kommt ihr mit dem Gepäck klar? Wieviel habt ihr jetzt eigentlich? Lean ist ja mega gewachsen!!! Wow! Wir vermissen euch! ❤️ Guten Flug!!!!!
Roland Sütterlin (Sonntag, 22 September 2019 08:28)
Freut Euch auf Kanada! Platz ohne Ende und tolle Menschen. Besucht Ihr Vancouver? Nach Eurer Beschreibung das komplette Gegenteil von New York und eine tolle Stadt...und unendliche Natur nur wenige Autominuten entfernt....
Weiterhin viel Spass auf Eurer Reise...wir sind gespannt!
Noemi (Sonntag, 22 September 2019 08:57)
Mit Deinem Text bestätigst Du mir, was ich eh schon dachte über New York. Sicher faszinierend, pompös und kulinarisch vielseitig, aber eben, laut, schmutzig und anonym...
Dann schick ich meinen Partner alleine dort hin. Der ist nämlich einer, der vielen Freunde NY‘s.
Maja (Sonntag, 22 September 2019 09:45)
Ich meld mich auch mal wieder zum zeigen dass ich noch mitlese :-) alles Liebe euch vier tollen, sieht unglaublich aus und ich freu mich sehr über alle Berichte von euch! Maja
Andreas (Dienstag, 24 September 2019 08:33)
Hallo zusammen. Wieder mal spannend hier! Liebe Grüsse aus Schottland und macht es gut!
Patrizia (Mittwoch, 25 September 2019 18:27)
Eure Kinder brauchen keine Tests. Was sie mit Euch zusammen erleben dürfen, ist viel wertvoller. Toller Bericht!